Frau K. Die zwei Arten zu erbleichen
Notate | – begonnen 1979 vor der Neuzeitrechnung |
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Dietz Verlag Berlin, 1993 |
DR. JÜRGEN HARDER zu
„Frau K. Die zwei Arten zu erbleichen“
Dietz Verlag Berlin, 1993
Zunächst entdecke ich, wie die Autorin „in sehr große Schuhe schlüpft“ – Brechts Keuner-Geschichten – und bewundere es, wie sie mit Bravour diese Schuhe ausfüllt. Und ich genieße, was die Autorin mit der Frau K. alles so anstellt – oder besser: was sie diese in literarisch großartiger Verbrämung alles so anstellen läßt. Natürlich ist zu fragen: Korrespondieren Brechts Reflexionen aus dem Exil hier etwa mit den Reflexionen der Hegewald aus der inneren Emigration in der DDR? Ja und nein. Wenn Frau K. sagt, sie heißt nicht Keuner, dürfen wir dies schon ernstnehmen. Aber – zu ernst eben auch wieder nicht. Nun, was hier vorliegt ist eine Biographie, die keine ist. Die Geschichten der Frau K. sind mehr als eine Biographie. In kunstvoller Konzentration auf Wesentliches, Existentielles wird das Schicksals-Porträt einer DDR-Künstlerin, mit Namen Heidrun Hegewald, gezeichnet … Schon auf den ersten Seiten findet sich dieser Satz: Begriffe verdorren, wenn man ihnen nicht immer mal wieder analytisch in die dickfellige Seite tritt. Und von den vielen, vielen sprachlichen Diamanten strahlt auch dieser zum Auftakt: Poesie ist die Präzision des Ungenauen.
Mit Bienenfleiß zerstörte sie bevorzugt Mythen und Legenden, auch wenn sie selber welche schuf. Wie auch immer: Die in diesem schönen Buch versammelten Texte sind eine einzige Subversion wider die Mythen- und Legendenbildung hier und heute: über ein Land, das es nicht mehr gibt und über ein – erschreckend – größer und schwieriger gewordenes Land. Oder ganz allgemein: über das Verhalten und die Verhältnisse in der „modernen Welt“. Wunderbar wie Heidrun Hegewald in Ihrem Essay für TENDENZEN den Realismus von allen legendären Verunglimpfungen befreit – einfach dadurch, daß sie ihn erklärt. Ebenso wie sie, ohne jede Mythologie auskommend, das Geheimnis des weiblichen Anteils an der bildenden Kunst einfürallemal gelüftet hat. Die entwaffnende Einfachheit nennt man und frau schlicht: das Geniale.